„Ihr seid die wahren Vandalen…
…und die Bühne für euren Vandalismus ist der ganze Planet“
Mit diesen Worten quittierte die Globalisierungskritikerin Naomi Klein auf der Blockupy-Kundgebung die medialen Bemühungen, die Massenproteste gegen die EZB wieder einmal hinter brennenden Autos verschwinden zu lassen. Deren Motive sind durchsichtig: Denn die Blockupy-Demonstration am 18.März war die bislang erfolgreichste.
Einige waren schon zwei Tage vorher angereist, um sich optimal darauf vorzubereiten, der EZB bei ihrer Eröffnungsfeier in die Suppe zu spucken. So standen am 18.März um 7 Uhr morgens 6000 Blockiererinnen und Blockierer 10.000 Polizeibeamten gegenüber.
Die Blockadepunkte wurden sehr schnell von der Polizei geräumt, danach gab es wohl keine gemeinsame Strategie mehr. Während ein Großteil der Protestierenden in Spontandemos durch die Stadt zog, ergriffen andere die Gelegenheit, um Spuren der Verwüstung zu hinterlassen. Wer da alles mitgemischt hat, ist noch unklar, die Ziele der Brände und Entglasungsaktionen reichen von Polizeiautos über Banken, Supermärkte, aber auch Sparkassen und Bushaltestellen – öffentliche Einrichtungen, also genau das, was die Blockupy-Bewegung eigentlich verteidigt. Ultralinke Gruppen, die außerhalb des Blockadebündnisses stehen, hatten ihre Beteiligung angekündigt. Aber auch Nazigruppen sollen zu den Protesten aufgerufen haben. So nebenbei wurden ja auch ein türkischer Kiosk zerstört – eine Aktionen, die eindeutig keine linke Handschrift trägt. Selbst das Werk von Provokateuren mag man nicht ausschließen, wenn man bedenkt, dass der Angriff auf eine Polizeiwache von innen heraus gefilmt wurde, die Polizei aber nicht eingeschritten ist.
Das hessische Innenministrium hat auf diese Weise die Bilder bekommen, die es wollte. Im letzten Jahr hatte die aggressive Polizeistrategie gegen die Blockupy-Demo, als sie nach 200 Metern grundlos stundenlang eingekesselt wurde, zu großer öffentlicher Empörung geführt. Jetzt scheint die Polizei darauf gesetzt zu haben, gerade Aktionen sinnloser Gewalt tatenlos zuzusehen, um das Blockupy-Bündnis zu desavouieren und die Konfrontationsstrategie des letzten Jahres im Nachhinein zu rechtfertigen. Der Polizeisprecherin, die für die Sendung „Brennpunkte“ am Abend des 18.März dazu interviewt wurde, konnte man ihre klammheimliche Genugtuung über diesen Verlauf der Dinge förmlich vom Gesicht ablesen.
Auch die Twitter-Offensive der Polizei passt in dieses Bild. Den ganzen Vormittag versuchte sie mit Meldungen im Bürgerkriegsstil, weitere Demonstrierende von der Anreise abzuhalten. Von 4000 Straftätern und 500 vorübergehenden Festnahmen war zeitweise die Rede, am Abend blieben davon knappe hundert übrig. Von den 88 verletzten Polizisten wurden 80 Opfer ihrer eigenen Reizgasangriffe. Die Demonstranten beklagen 200 Verletzte.
Der Aktionskonsens
Der von Blockupy im Vorfeld verabschiedete Aktionskonsens deckte den Vandalismus jedenfalls nicht. Darin hieß es: „Unsere Aktionsform sind Massenblockaden, die aus Menschen bestehen. Mit Sitz- und Stehblockaden, Straßentheater, Trommelgruppen und thematischen Gegenständen unseres Widerstands werden wir alle Zugänge zur EZB dicht machen. Gitter und Zäune der Polizei werden wir in unsere Blockaden einbeziehen. Auch wenn Polizeikräfte versuchen, uns von unserem Vorhaben abzubringen, werden wir uns nicht auf sie fokussieren. Wo möglich, werden wir Polizeiketten durch- oder umfließen, werden unsere Körper einsetzen, um die Blockade zu halten. Von uns wird dabei keine Eskalation ausgehen.“ Anders als in Heiligendamm und in Dresden ist die Umsetzung dieses Konzeptes aber nicht gelungen. Es war nicht eindeutig festgelegt, wie die Blockaden aussehen sollen. Und da die Blockaden nach Regionen aufgeteilt waren, nicht nach politischen Spektren, gab es an den einzelnen Blockadepunkten auch keinen Konsens über die Vorgehensweise und keine räumliche Trennung von Gruppen mit sehr unterschiedlichen Aktionsvorstellungen. Die Sache ist aus dem Ruder gelaufen.
Die Demo
Die Demonstration am Nachmittag war dann das Kontrastprogramm. 10.000 waren angekündigt, es wurden dann um die 25.000, die Polizei hat 17.000 zugegeben.
Anfang des Jahres hatte es noch ganz anders ausgesehen: Da war die Neigung, mitten in der Woche zur Demo nach Frankfurt zu fahren, auf dem Tiefpunkt und in Kreisen der Organisatoren wurde diskutiert, ob Blockupy noch eine Zukunft hat. Nach dem Regierungsantritt von Syriza, der gnadenlosen Erpressungspolitik gegen die griechische Regierung und angesichts der Hoffnung auf weitere Regierungswechsel in diesem Jahr in anderen Ländern Südeuropas sind dem Mobilisierungswillen jedoch Flügel gewachsen. Ein Ausdruck davon waren etwa def Aufruf der deutschen Gewerkschaftsvorsitzenden, der im Ausland großes Echo erfahren hat; zahlreiche Solidaritätserklärungen und -aktionen (darunter die von Griechenland-Solidaritätskomitees veranlasste Demonstration in Berlin am 14.März); Filmvorführungen von „Wer rettet wen?“ in über 120 Städten und der mehrfach ausgestrahlte Fernsehfilm von Harald Schumann „Die Macht der Troika“. Ab jetzt hat der Protest gegen die europäische Sparpolitik eine fest, zentrale Adresse: EZB, Sonnemannstr. 22. Und es gibt eine große Entschlossenheit, das Fenster, das sich nun geöffnet hat, mit aller Macht weiter aufzustoßen.
„Wir haben unser Ziel, die Feier und den Arbeitsalltag der Europäischen Zentralbank nachhaltig zu stören, erreicht. Dies war kein normaler Tag für Frankfurt“, kommentierte am Ende Christoph Kleine vom Blockupy-Bündnis. Aus einer Aktion, die sich zunächst „nur“ das Ziel gesetzt hatte, die Eröffnungsfeier zu stören, wurde eine europäische Antispardemonstration. Sie hat den Ball, der aus Athen rübergerollt ist, aufgegriffen und sieht sich inzwischen als Teil einer europaweiten Anti-Austeritätsbewegung. Das war die würdigste Begehung des 18.März 1848 – als der Barrikadenaufstand in Berlin die Märzrevolution einläutete –, die man sich hätte denken können.
Die Botschaft kam sogar im Herzen der Bestie an: In seiner Rede auf der Eröffnungsfeier vor zwei Dutzend handverlesenen Gästen wehrte sich EZB-Chef Draghi, die Proteste seien „unfair“, schließlich versuche die EZB gerade, wirtschaftliche Schocks abzufedern.
Block austerity
Frankfurt war erst der Anfang, da ist noch viel Luft nach oben. Noch dominierte das linksradikale Spektrum, während die Blöcke von Attac und der Linkspartei eher bescheiden ausfielen und Gewerkschaftsfahnen nur vereinzelt zu sehen waren. Der DGB hatte für 12 Uhr am selben Tag eine eigene Demonstration angesetzt, 2-3000 Leute, so wird geschätzt, zogen vom Gewerkschaftshaus zu einem der Blockadepunkte. Sie wurden unterwegs jedoch von der Polizei angehalten und rollten daraufhin brav ihre Fahnen wieder ein. Hans-Jürgen Urban vom geschäftsführenden Vorstand der IG Metall konnte seine Rede nicht halten, in der er „Für eine radikale Wende in Europa!“ plädierte und mahnte, aus der Anti-Springer-Kampagne der 68er zu lernen: „Keinen Euro für die Verunglimpfungen von Staaten und Menschen in Europa. Keinen Euro für Bild!“
Aus Italien war eine Delegation der Fiom, aus Frankreich eine kleine Delegation der SUD-Gewerkschaften gekommen – alles sehr löblich, aber nicht in einem Umfang, der nahegelegt hätte: Die Gewerkschaften haben verstanden, dass es gerade auch um ihre Zukunft geht. Die Angriffe auf das Streikrecht, das Lohn- und Sozialdumping – das alles läuft schließlich europaweit.
Am darauffolgenden Tag fand ein Treffen der Initiativgruppen statt, die Mitte November letzten Jahres den „sozialen Streik“ in Italien organisiert hatten. Es ist der Versuch, den Kampf der Prekären für würdige Arbeits- und Lebensbedingungen auf europäischer Ebene zu organisieren. An dem Treffen nahmen über hundert Personen teil, darunter auch Vertreter der FIOM und der SUD-Gewerkschaften. Die Initiative nennt sich inzwischen Transnationalstrike. Auf ihrer Webseite bilanzieren die Italiener: „In Frankfurt hat sich die Notwendigkeit einer wirklich europäischen, autonomen Initiative gezeigt. Frankfurt hat eine Möglichkeit aufgezeigt: Neben einem Banner der italienischen strikers fand sich das Transparent der Arbeiter, die bei Amazon Bad Hersfeld gestreikt hatten, und von deren deutschem Unterstützerkomitee. Die Arbeitskämpfe müssen europaweit repolitisiert werden.“
Am 9./10.Mai wird es in Berlin ein Blockupy-Auswertungstreffen geben.
Angela Klein