Plattform für die Kampagne:

Gegen Arbeitszwang und Billigjobs ­
für ein existenzsicherndes Einkommen!

 

Es ist kaum zu glauben: Millionen registrierte Erwerbslose, kaum offene Stellen, und trotzdem werden Erwerbslose mit immer schärferen Mitteln zur (fehlenden) Arbeit angehalten. Mit Leistungskürzungen, Sanktionen und z.B. der Pflicht, nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit eine Entlohnung in Höhe der Arbeitslosenunterstützung anzunehmen, wird Druck ausgeübt. »Jede Arbeit ist besser als keine«, heißt es immer öfter. Dabei wird verschwiegen, daß Wirtschaft und Politik kaum noch Anstrengungen unternehmen, existenzsichernde und gesellschaftlich nützliche Arbeitsplätze zu schaffen. Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik reduzieren sich mehr und mehr darauf, Erwerbslose durch einen umfassenden Spar- und Zwangskurs zur Annahme von Billigjobs zu zwingen. Dadurch werden viele Erwerbslose aus dem Leistungsbezug ausgegrenzt. Langzeiterwerbslosen wird die Arbeitslosenhilfe automatisch jedes Jahr um drei Prozent gekürzt, die originäre Arbeitslosenhilfe wurde gestrichen, Arbeitsuchende gezwungen, sich auf alles und jedes zu bewerben und auch unsinnige Trainingsmaßnahmen zu akzeptieren. Millionenfach fehlende Arbeitsplätze werden in fehlende Arbeitsbereitschaft von Millionen umgelogen. Ein gesellschaftliches Problem wird zum individuellen Fehlverhalten erklärt. Ganz so als ob die, die im Regen stehen, auch noch Schuld am miesen Wetter haben. Vor diesem Hintergrund gerät das Grundrecht, daß niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden darf, zur Makulatur. Für eine bestimmte Gruppe von Menschen in Deutschland sind solcherart Einschnitte in ihre Grundrechte heute schon gang und gäbe: für Flüchtlinge. Lebensmittelgutscheine und Sozialhilfebezug unterhalb der Armutsgrenze degradieren sie zu Menschen, die man täglich spüren läßt, daß sie keine Rechte haben sollen.

Den Unternehmern geht es gar nicht um die Beseitigung der Erwerbslosigkeit, sondern um die Senkung der Löhne und Sozialleistungen. Bundesweit und auf europäischer Ebene machen sie Druck auf die Regierungen, die Arbeitslosenhilfe perspektivisch zu streichen. Deren BezieherInnen sollen unter dieselben Zumutbarkeitskriterien fallen wie SozialhilfebezieherInnen. Ziel ist, einen Billiglohnsektor zu schaffen, der nicht mehr dem Arbeits- und Tarifrecht unterliegt, wobei leider auch nicht jeder Tariflohn vor Armut schützt. Eine solche Entwicklung gefährdet nicht nur die Existenz von Erwerbslosen. Wenn diese aus nackter Not (fast) jede Arbeit zu jeder Bedingung annehmen müssen, dann geraten auch die Löhne und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten unter Druck. Unter den Arbeitsuchenden werden Verdrängungswettbewerb und Unterbietungskonkurrenz angeheizt. Wir lehnen die Überführung der Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe entschieden ab; sie würde dazu führen, daß viele Erwerbslose ganz aus dem Leistungsbezug herausfallen und wegen der veränderten Zumutbarkeitsregeln nie mehr zu einer Beschäftigung kommen, von der sie anständig leben können. Wir wenden uns auch gegen alle Zwangsmaßnahmen, mit denen Erwerbslose in Billigjobs gedrückt werden. Dabei gäbe es solidarische Wege zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit: Mit Arbeitszeitverkürzung, Umverteilung der Arbeit und mit der Schaffung eines öffentlichen Beschäftigungssektors könnten qualifizierte und existenzsichernd entlohnte neue Arbeitsplätze entstehen. Eine ausreichende Existenzsicherung , die eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, muß auch unabhängig von der Lohnarbeit garantiert sein. Alle Menschen haben ein Recht auf ein existenzsicherndes Einkommen, das auch dann garantiert ist, wenn sie aus der Lohnarbeit ausgeschlossen werden.


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Aus diesen Gründen wollen wir, die Bundes- und Landesorganisationen der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen sowie Beratungsstellen, eine Kampagne »Gegen Arbeitszwang und Billigjobs ­ für ein existenzsicherndes Einkommen« führen. Wir wollen Bilanz ziehen, Alternativen diskutieren und praktische Hilfen für die Arbeit der Initiativen vor Ort erarbeiten. Mit vielfältigen Aktionen zum gleichen Zeitpunkt wollen wir den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen deutlich machen, daß Erwerbslose nicht länger bereit sind, die autoritären Tendenzen in der Sozialpolitik tatenlos hinzunehmen. Die Kampagne soll einen Beitrag zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit leisten, damit Arbeitszwang und Billiglohn nicht zur gesellschaftlichen Leitlinie werden.

Wir fordern:

  • Jede Zwangsvermittlung von LeistungsbezieherInnen muß abgeschafft werden. Die Zumutbarkeitsregelung des SGB III muß gestrichen werden. Maßnahmen im Rahmen der »Hilfe zur Arbeit« und und ähnlichen Programmen dürfen nur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden. Wir brauchen wieder ein Recht auf Fortbildung und Qualifizierung.
  • Die vermittelten Beschäftigungen müssen existenzsichernd und sozialversicherungspflichtig entlohnt sein und die vorhandenen Qualifikationen berücksichtigen. Sie dürfen keine existenten Arbeitsplätze ersetzen.
  • Wir brauchen einen existenzsichernden gesetzlichen Mindestlohn statt einer Ausweitung des Niedriglohnbereichs.
  • Die Arbeitslosenhilfe muß erhalten bleiben. Wir fordern die sofortige Erhöhung der Leistungssätze für Erwerbslose, SozialhilfebezieherInnen und Flüchtlinge.
  • Die Arbeit muß umverteilt und die Arbeitszeit verkürzt werden.
  • Das Arbeitsverbot für Flüchtlinge muß abgeschafft werden. Ebenso das Asylbewerberleistungsgesetz.
  • Perspektivisch fordern wir eine existenzielle Absicherung für alle durch ein Einkommen unabhängig von Nationalität, Geschlecht und Familienstand und ohne den Zwang zur Arbeit.

Runder Tisch der Erwerbslosenorganisationen, 18. April 2000

Am Runden Tisch arbeiten mit: Arbeitslosenverband Deutschland (ALV) e.V.; BAG Erwerbslose (BAG-E); BAG Sozialhilfeinitiativen (BAG SHI); Europäische Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung und Ausgrenzung; Koordinierungsstelle gewerkschaftliche Arbeitslosengruppen; Arbeitsloseninitiative (ALI) Thüringen; Landesarbeitsgemeinschaft der Arbeitslosenprojekte Niedersachsen (ZEPRA); Info-Stelle Rheinland; Info- und Beratungsstelle Westfalen.

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