Bundeskoordination Euromarsch, 13. Januar 2001, Hannover
Bericht von Angela Klein
1. Bilanz der Erwerbslosenversammlung in Paris
Die Bilanz ist in folgenden Punkten positiv:
- das Spektrum der Teilnehmenden konnte ausgeweitet werden (die deutsche
Delegation war mit 45 Personen die größte und weit repräsentativer
zusammengesetzt als sonst);
- mit den Teilnehmenden ergibt sich eine Fortsetzung der Arbeit (das gilt
besonders für BAG SHI, BAG-E und NGG); die Rückwirkungen auf den Runden Tisch
kommen prompt: auf seiner nächsten Sitzung wird er sich mit der
Sozialpolitischen Agenda befassen, einige Gruppen wollen sich am Ratschlag im
Mai beteiligen;
- das Ergebnis, die Bildung eines europäischen Sekretariats mit
Arbeitsaufträgen und Strukturen, geht ebenfalls über den Stand, der mit der
der europäischen Koordination der Märsche bisher erreicht war, hinaus (»neue
Qualität«).
In folgenden Punkten gab es Kritik, die auch auf der europäischen
Sekretariatssitzung im Februar vorgetragen werden soll:
- es gab keine gemeinsame inhaltliche Vorbereitung der Arbeitsgruppen,
weshalb in ihnen teilweise nebeneinander her diskutiert wurde, nicht klar
war, was dabei herauskommen soll, somit auch die Rückkopplung in die
Versammlung am Sonntag nicht klar war;
- am Sonntag wurden Beiträge gehalten, die besser am Anfang gehalten worden
wären;
- es wurde am Sonntag zu wenig darüber diskutiert, wie es weiter geht.
Wir wollen dem europäischen Sekretariat folgende Vorschläge machen:
- Lob der Übersetzer;
- Begrenzung der Redezeit (keine ausufernden Beiträge von einer halben
Stunden und mehr)
- verabredete Einleitungsbeiträge sollten möglichst schriftlich mitgebracht
werden (erleichtert auch den Übersetzern die Arbeit)
- für die Erwerbslosenversammlung in Brüssel: die Bildung einer Arbeitsgruppe
im Sekretariat, die die Versammlung gemeinsam vorbereitet (es sollte nicht
mehr nur Ländersache sein).
Auf der Bundeskoordination gab es eine Debatte über die Möglichkeit,
Redebeiträge stärker ergebnisorientiert auszurichten. Wir wollen, daß sich
alle Betroffenen von der Versammlung angesprochen fühlen. Wir bedauern, daß
viel weniger gekommen sind als vor drei Jahren. Wir mußten auch feststellen,
daß sich auf der Bielefelder Konferenz 63 InteressentInnen eingetragen
hatten, die längst nicht alle gekommen sind. Der Bewegungscharakter mit
seiner Möglichkeit zum spontanen Ausdruck und zur Entwicklung von Vorschlägen
und Ideen vor Ort muß erhalten bleiben - es darf keine Funktionärsversammlung
werden.
Auf der anderen Seite wollen wir ein gemeinsames Ergebnis erzielen und müssen
entsprechend zielgerichtet diskutieren.
Wir müssen also einen Mittelweg finden, der auch immer wieder neu austariert
werden muß und nicht ein für allemal feststeht.
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Die Entwicklung der Euromärsche
Bilanz Erwerbslosenversammlung
Bilanz Nizza
Was ergibt sich aus dem Gipfel in Nizza?
Der Gipfel in Göteborg
Termine
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2. Bilanz Nizza
Die Demonstration wurde sehr gelobt, wegen ihrer Größe (an die 100.000 Leute)
und Lebendigkeit. Den Löwenanteil stellte die französische CGT, die massiv
mobilisiert hatte. Stark vertreten waren jedoch auch die Gewerkschaften aus
Italien, Spanien, dem Baskenland. DGB kaum (ein Block mit 200 Leuten).
Sehr positiv empfanden wir auch den Block von ATTAC und damit die sichtbare
Beteiligung der Bewegung gegen die Globalisierung.
Schmerzlich hingegen die schwache Beteiligung der Erwerbslosenbewegung, auch
aus Frankreich.
Verwirrend, daß die Euromärsche nicht am vereinbarten Aufstellungsort Platz
genommen hatten
Die Karawane nach Nizza ist nicht als Konvoi gefahren. Die Aktionen in
Marseille waren gut, aber völlig unübersichtlich organisiert.
Es gab keine Pressestelle, die laufend Informationen in die anderen Länder
geschickt hätte.
Unvollständige Informationen über die Verhaftungen.
In Dresden sind deshalb noch 1000 DM Folgekosten entstanden.
Insgesamt wurde die Demonstration als Erfolg betrachtet, wegen der größeren
Bandbreite, weil diese Bandbreite künftig bessere Arbeitsmöglichkeiten
verspricht, und auch weil sie mal wieder ein klares Zeichen gesetzt hat
gegenüber einem offiziellen Gipfel, der sich hauptsächlich in seinen eigenen
Widersprüchen gefangen hat.
3. Was ergibt sich aus dem offiziellen EU-Gipfel?
Vor allem vier Punkte wollen wir im Auge behalten:
- der weitere Umgang mit der Grundrechtecharta
- die Ratifizierung des Vertrags von Nizza
- die Sozialpolitische Agenda
- die Beschäftigungspolitschen Leitlinien.
Auf dem Gipfeltreffen in Stockholm, am 23. und 24. März (aktualisierter
Termin!), geht es vorrangig um:
- die Präzisierung des Begriffs »Vollbeschäftigung«, der seit Lissabon wieder
in den Ratsdokumenten als Ziel der EU auftaucht, sowie ein Programm gegen
Armut und Ausgrenzung;
- die nationalen Aktionspläne für die Beschäftigungspolitik sowie für die
Sozialagenda.
Der EU-Gipfel in Göteborg wird einen Vorschlag präsentieren, wie die
Diskussion um eine europäische Verfassung, den Status der Grundrechtecharta
und die Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten (alles
Fragen, die auf der nächsten Regierungskonferenz in 2004 befaßt werden
sollen) geführt wird. Es gibt einen Vorschlag, die nicht »den EU-Beamten« zu
überlassen, sondern einen Prozeß in Gang zu setzen ähnlich dem, der die
Charta erarbeitet hat, nämlich über einen »Konvent«, der verschiedene
legitimierte Institutionen um einen Tisch versammelt.
Der Rat in Laeken/Brüssel Ende des Jahres wird eine Vorgabe für einen solchen
Diskussionsprozeß machen (z.B. »die Charta soll in den EU-Vertrag«).
Die Aufgaben, die die schwedische und die belgische Ratspäsidentschaft sich
stellen, sind nachzulesen (s.Anhang). Da gibt es viel progressives
Wortgeklingel (Wiederherstellung der Vollbeschäftigung, Bekämpfung von Armut
und Ausgrenzung, Achten auf die Qualität der Arbeit, usw.) - man wird genau
hinschauen müssen, was davon übrig bleibt.
Zum progressiven Anstrich gehört auch ein erklärter Wille, die NGOs, große
wie kleine, systematischer in die Debatten einzubeziehen.
Abgesehen davon ist vor allem die Sozialagenda aber ein Ausdruck dafür, daß
nunmehr alle Aspekte der sozialen Sicherungssysteme von der EU unter die Lupe
genommen und ihren Kriterien von Wachstumspolitik und Wettbewerbsfähigkeit
untergeordnet wird. Das betrifft vor allem die Rente, das Gesundheitswesen,
die Sozialhilfe und die Umschichtungen in der Belastung der öffentlichen
Haushalte zu Lasten der Kommunen.
Wir als Euromarsch sehen uns vor die Aufgabe gestellt, die Inhalte dieser
Planungen einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln, sie auf das Niveau
der Kommunen und der Arbeitsloseninitiativen und Betroffenen vor Ort
herunterzudeklinieren, Gewerkschaften und Kirchen als Bündnispartner zu
gewinnen, und ihnen allen die europäische Dimension der Angriffe auf die
sozialen Sicherungssysteme bewußt zu machen.
Die Ebenen EU/Bundesregierung/Länder und Kommunen sind nicht künstlich zu
trennen.
Die Vorhaben der Bundesregierung, die Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
zusammenzulegen, und die Modellprojekte, die sie dafür angeschoben hat,
stehen in direktem Zusammenhang mit den Planungen auf EU-Ebene.
In den Arbeitsloseninitiativen muß deshalb die Diskussion angeschoben werden.
Vorschlag 1: Ratschlag der Euromärsche am 19. und 20. Mai
Thema: Sozialpolitische Entwicklung in der EU
Einladungen ergehen an: alle Arbeitslosen- und Sozialhilfeverbände/
-organisationen (somit auch den Runden Tisch), die Initiative linker
Gewerkschafter, ATTAC u.ä. Netzwerke in Deutschland, Kairos Europa, BUKO,
BAGI (PDS), Jungdemokraten.
Bis zu unserer nächsten Koordination im Februar wollen wir die Einzuladenden
angesprochen haben, um uns zu vergewissern, daß das Interesse am Ratschlag
und das Vermögen da ist, daran teilzunehmen.
Im Februar legen wir auch die Tagesordnung fest.
Vorschlag 2: Auf unserer nächsten Bundeskoordination am 24. und 25.Februar in
Nürnberg (s.u.)
legen wir einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die Sozialagenda und verwandte
Praktiken vor Ort in der BRD.
- Theo referiert die Sozialagenda;
- wir laden Thomas Münch vom Kölner KALZ ein, über Modellprojekte im Bereich
»aktivierende Sozialhilfe, die Rolle der
Beschäftigungsförderungsgesellschaften« usw. zu sprechen.
Als vorbereitendes Material wird ein Papier der Arbeitsgruppe »Arbeit« der
SPD-Bundestagsfraktion vom April letzten Jahres verschickt.
Vorschlag 3: Aktionstag am 23. und 24. März, dem Zeitpunkt des EU-Gipfels in
Stockholm.
Dazu laden wir alle Arbeitsloseninitiativen ein. Wir machen Infostände vor
Arbeitsämtern, schwedischen Einrichtungen, in Fußgängerzonen usw. mit einem
Flugblatt, das über die soziale Entwicklung in Europa und die Vorhaben der EU
aufklärt. Außerdem Plakatständer mit unseren Grundforderungen.
Vorschlag 4: Der Vertrag von Nizza steht zur Ratifizierung an. Wir wollen auf
die Parteien Druck ausüben, daß sie dem Vertrag nicht zustimmen - mit unseren
Argumenten. Ein entsprechender Brief wäre aufzusetzen. Dabei muß man auch auf
die Osterweiterung eingehen, denn diese ist das Hauptargument derer, die für
die Ratifizierung sind.
Auf der Bundeskoordination am 7. April wollen wir uns eine Position zur
Osterweiterung erarbeiten. Dazu befassen wir uns mit verschiedenen Vorlagen,
die noch verschickt werden.
Vorschlag 5: Die Regierenden wollen den Inhalt der Charta nicht mehr zur
Diskussion stellen. Genau das wollen wir aber. Wir müssen deshalb die Debatte
lebendig halten und unsere Bemühungen vervielfachen, Multiplikatoren zu
erreichen, um mit ihnen über die Problematik der Charta zu reden.
Geeignet scheint die Verbindung zur Einführung des Euro Anfang Januar 2002.
Er wird zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über die EU führen, die
von rechts für eine populistische Anti-EU-Stimmung genutzt werden wird. Wir
müssen in dieser Auseinandersetzung präsent sein und sie für unsere
Vorstellungen für »ein anderes Europa« nutzen.
Genauere Planungen dazu brauchen wir für das zweite Halbjahr 2001.
4. EU-Gipfel in Göteborg
Dies ist wieder ein breiter Mobilisierungstermin.
Es gibt zwei Demonstrationen:
- eine am Freitag, dem 15.Juni, ab 18 Uhr: Demonstration gegen die EU und für
die Forderung: Raus aus der EU. Sie wird vor allem von den Parteien getragen,
die bei der letzten Volksabstimmung die »Nein-zur-EU-Koalition« getragen
haben;
- eine am Samstag, den 16.Juni, ab 12 Uhr: Demonstration für ein anderes
Europa. Sie wird vor allem von sozialen Bewegungen, der anarchistischen
Gewerkschaft SAC, Jugendorganisationen und Organisationen der radikalen
Linken getragen. Sie wird vorbereitet von einer nordischen Koordination, die
Gothenbrug Action 2001, in der Organisationen aus Dänemark, Norwegen,
Schweden und Finnland vertreten sind.
Kontaktadressen und Plattformen werden noch bekanntgegeben.
Vor allem die Samstagsdemo, an die sich meines Wissens auch ein Gegengipfel
anschließt, wird Gelegenheit bieten, sich über den Inhalt der Forderung »Für
ein anderes Europa« auszutauschen.
Das Vorhaben stößt auch in der BRD auf Interesse. Es gibt in Kiel eine
regionale Vorbereitungsgruppe für Göteborg, mit der wir Kontakt aufnehmen
wollen.
Aus Paris werden Busse organisiert, die auch Interessierte aus Belgien, den
Niederlanden und Deutschland aufnehmen werden.
Termine für das 1.Halbjahr 2001:
17./18. Februar |
Europäisches Sekretariat der Erwerbslosenversammlung in
Lutterbach (Basel) |
24./25. Februar |
Bundeskoordination der Euromärsche in Nürnberg |
6. März |
Runder Tisch der Erwerbslosen, Hannover. Thema: Sozialagenda
der EU |
23. März |
Aktionstag der Euromärsche anläßlich des Gipfels in Stockholm |
7. April |
Bundeskoordination Euromarsch in Hannover, Industriepfarramt,
Rühmkorffstr. 7 |
21./22. April |
Europäisches Sekretariat der Erwerbslosenversammlung |
8. Mai |
Runder Tisch der Erwerbslosen, Hannover. Thema:
Zeitarbeitsfirmen |
19./20. Mai |
Sozialpolitischer Ratschlag der Euromärsche |
15./16. Juni |
Demonstrationen anläßlich des EU-Gipfels in Göteborg
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