30. OKTOBER 2002 Auf dem reichsten Kontinent der Erde sind Armut und Prekarität das tägliche Los von einem Drittel der EinwohnerInnen der Europäischen Union, weil sie keinen Zugang zu Grundrechten haben: kein Recht auf Arbeit, auf Lohn, auf Wohnung. Wir müssen reagieren, bevor die Union sich erweitert. Deswegen rufen wir auf zu einem Aktionstag:
EUROPÄISCHE MOBILISIERUNG
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Allgemeine Erklärung der Menschenrechte : Artikel 25Jeder Mensch hat Anspruch auf ein Lebensstandard, mit dem die Gesundheit, das Wohlbefinden seiner Person und seiner Familie gesichert werden können, vor allem in Hinblick auf die Ernährung, der Kleidung, der Wohnung, der Gesundheitsversorgung und der notwendigen sozialen Leistungen; jeder hat Anspruch auf eine Versicherung im Fall von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, Witwenstand, Alter oder in alle anderen Fällen von Verlust der Existenzgrundlage, die nicht aus eigenem Willen geschehen. |
Heute bedeutet das Recht auf einen ausreichenden Lebensstandard das Recht auf Einkommen. Ein Recht ist ein Recht. Aber die Politik der Europäischen Union zielt darauf ab, dieses Recht durch das von ihr genannte « Recht auf eine soziale Hilfeleistung » zu ersetzen, im Klartext durch Almosen (Charta der Grundrechte, Artikel 34-3). Diese Auffassung, wie alle anderen in der Charta, könnte ab 2004 die Grundlage zur europäischen Verfassung bilden.
Unter dem Impuls der Europäischen Kommission ersetzen die Regierungen Arbeitslosengeld durch Sozialhilfeleistungen, die nur unter bestimmten Bedingungen zu erhalten sind. Arbeitsvertrag zu Ende, Entlassung, und schon geht das Einkommen schrittweise zurück. Für junge Leute gibt es oft gar nichts. Solidarische Rentensysteme werden in Frage gestellt. Ein zweiter Arbeitsmarkt organisiert sich rund um untertarifliche Beschäftigung, aufgezwungene Teilzeit, sogenannte Wiedereingliederungspolitik, die Aktivierung von sogenannten passiven Sozialausgaben! Die Regierungen unterstützen Unternehmen, die sehr niedrig bezahlte Arbeitsplätze schaffen. Frauen bekommen, noch mehr als Männer, die Folgen einer solchen Politik zu spüren. Ausländische ArbeitnehmerInnen, vor allem Illegalisierte, sind ihre erste Opfer.
Wir nehmen nicht hin, dass Arbeitslose für ihre Situation verantwortlich gemacht werden. Wir lehnen alle Maßnahmen des Zwangs zur Arbeitstellenannahme (« workfare ») ab und fordern von der Europäischen Union, von den Regierungen und den Arbeitsgeberverbänden, dass sie ein Recht auf ein individuelles garantiertes Einkommen unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft, europaweit garantieren.
Die Harmonisierung der minimalen Sozialleistungen ist um so wichtiger, als sich in Europa zur Zeit ein unerhörtes Lohn- und Sozialdumping verbreitet. Die Osterweiterung könnte diesen Prozeß noch verschlimmern.
Erwerbslosen- und Prekären-Organisationen in den Mitgliedsländern der Europäischen Union haben Zahlen genannt, unter welchen nicht heruntergehandelt werden darf. Aufgrund der großen Lohndiskrepanz zwischen den Ländern ist die Einigung über eine gemeinsame Zahl für alle Erwerbsolsen in der EU nicht in allen Ländern durchzusetzen. Eine gemeinsame Forderung ist jedoch möglich und notwendig. Wir stellen eine gemeinsame Methode vor, die der Evaluierung des Mindesteinkommens zugrunde liegt und in allen Ländern angewandt werden kann, wobei länderspezifische Parameter berücksichtigt und verschiedene Bedingungen integriert werden, die diese Minima definieren:
Diese Löhne sollten jedes Jahr an der Reichtumszunahme der Länder indexiert werden, was zu einer gerechteren Umverteilung des Reichtums führt.
Wir müssen uns der Armutsspirale entgegensetzen ! Wir müssen Minima definieren, unter denen nicht heruntergehandelt werden darf : ein individuell garantiertes Einkommen, ein Mindestlohn, eine Mindestrente und die Anerkennung des Prinzips « eine Arbeitsstelle ist ein Recht, und verdient einen gerechten Lohn» («un emploi c'est un droit, un revenu c'est un dû »)
Lasst uns dafür in ganz Europa mobilisieren!
Am Mittwoch, dem 30. Oktober 2002: Überall in allen Städten Kochtopf-Konzert!
The displacement of a cacerolada
by Santiago Sierra
Übersetzung: Marina Barré