Kontinuität ist auch was wert

Gegenaktionen zum EU-Gipfel in Cardiff  

Nicht einmal 2000 waren am 13.Juni zur Demonstration »Nein zum grossen Geschäft Europa, ja zu Jobs, öffentlichen Diensten und Demokratie« gekommen, aber etwa 10.000 marschierten einen Tag später unter nationalistischen Losungen gegen die EU-Agrarpolitik. Während in der City, nahe dem offiziellen Geschehen, ein internationales linksökologisches Spektrum beim »Alternativgipfel« über globale Probleme und Strategien ihrer Minderung und Lösung diskutierte und über gemeinsame Aktionen beriet, tagten am Stadtrand, abgeschottet in einem gepflegten Hotel, führende Genossen der Kommunistischen Partei mit ihren Gaesten. Hieran wird erneut die Tragik der britischen Linken deutlich.

Doch nun zum Vorwärtsweisenden. Dass der »Alternativgipfel« von Cardiff wesentlich bescheidener als der Amsterdamer Gipfel war, lag primär an der Tagesordnung des EU-Gipfels. Gerade Linke müssen mit ihren Kräften und Finanzen haushalten und die grosse Herausforderung Köln, Juni 1999, ist allgemein anerkannt. Daher hiess es im Cardiff Counter Summit Special, dass es diesmal vor allem darum gehe, Ideen zu entwickeln.

An der Demonstration »Nein zum Geschäft Europa« nahmen Gäste aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Indien, Irland, Island, Italien, den Niederlanden, Österreich, Portugal und Spanien teil, das ermutigte die britischen OrganisatorInnen. Vor allem hatte die Euromarsch-Bewegung einen weiteren Höhepunkt, den sie zu Arbeitsabsprachen nutzte. Christophe Aguiton konnte Cardiff in eine Ereigniskette einreihen: internationale Demonstration mit den Renault-ArbeiterInnen gegen die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze in Brüssel, Amsterdam, Luxemburg.

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Von den Reden auf der Demonstration sollte die vom Europaabgeordneten Alan Simpson hervorgehoben werden: Der Labour-Abgeordnete entwickelte ausgehend von globalen Problemen und einem gesamteuropäischen, nicht EU-bornierten Blickwinkel Positionen notwendiger Umverteilung von oben nach unten, von Norden nach Süden, die Forderung nach einem ökologischen Umbau und Ausstieg aus der Atomenergie, und er thematisierte die Eigentumsverhältnisse: »Das 21. Jahrhundert braucht gesellschaftliches Eigentum.«

In der abendlichen Beratung wurde auf eine Euromarsch-Mobilisierung zum EU- Gipfel nach Köln orientiert. Ulrich Duchrow von KAIROS schlug vor, das Bündnis für die Demonstration am 20.6. »Aufstehen für eine andere Politik« dafuer zu gewinnen. Die Demonstration am 12.Dezember anläßlich des EU-Gipfels in Wien, der sich mit der Osterweiterung und den nationalen Beschäftigungsprogrammen beschäftigten wird, soll als internationale Brücke nach Köln genutzt werden, sowohl was den Ausbau der Kooperation mit emanzipatorischen Initiativen in Ost- und Mitteleuropa als auch was die Vorbereitung der Euromarsch-Konferenz im Januar und die Mobilisierung im Juni nach Köln betrifft.

Die Problematik WTO -- IWF -- Weltbank -- Maastricht -- Amsterdam -- NAFTA -- MAI sollte die Klammer »Liberalisierung/Globalisierung« zwischen dem EU- und dem G8-Gipfel in Köln untersetzen. Schliesslich sind die Gewerkschaften zum Widerstand gegen das MAI genauso gefordert wie Umweltgruppen, antirassistische und Dritte-Welt-Gruppen. MAI und Gegenstrategien spielten in Cardiff eine grosse Rolle. Bemerkenswert an der MAI-Debatte war die Sachkenntnis, insbesondere der jungen Leute. So legte A SEED Materialien vor, die neben guten Recherchen ausnehmend ansprechend gestaltet sind. Überhaupt war der obligate Materialkramtisch gehaltvoll gedeckt. Bunt wie er waren auch die kleinen Aktionen am Montag und Dienstag, die zwar wenig MitmacherInnen, aber gutes Echo in der regionalen Presse hatten: Zum grossen Fototermin der Offiziellen erschienen 30 junge Leute und liebenswerte Hunde mit Forderungen wie: »Wir wollen die Privatisierung von allem«, »Die Umwelt soll endlich völlig vernichtet werden«, »Wir fordern die Abschaffung jeglicher sozialer Standards«. Etwa 20 von ihnen protestierten in schwarzen und/oder originellen Kostuemen auf ihren Fahrrädern mit kleinen Strassensperren gegen die sozial- und umweltfeindliche Verkehrspolitik.

Judith Dellheim

Dieser Artikel erscheint in SoZ Nr. 13 vom 25.6.98. Die »SoZ - Sozialistische Zeitung«

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