Europäische Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungesicherte Beschäftigung und Ausgrenzung
INTERNATIONALER AUFRUF VON KÖLN
Europäische Demonstration am 29.Mai 1999
GEGEN ERWERBSLOSIGKEIT, UNGESICHERTE BESCHÄFTIGUNG, AUSGRENZUNG UND RASSISMUS
FÜR EIN EUROPA UND EINE WELT DER SOLIDARITÄT UND FREIHEIT!
- Köln wird zur Hauptstadt der Wut werden.
Am 3. und 4.Juni wird in Köln ein Gipfel der europäischen Regierungschefs stattfinden, anschließend am 19.Juni ein G8-Gipfel, der die mächtigsten politischen, Wirtschafts- und Finanzmächte der Erde versammelt. In Köln treffen sich die Vertreter eines Europa und einer Welt, in der ein großer Teil der Bevölkerung Erwerbslosigkeit und Elend erfährt, während sich auf der anderen Seite Reichtum aufhäuft und konzentriert und die Zerstörung der Umwelt fortgesetzt wird.
Wir werden die Regierenden nicht in Ruhe tagen, bürgerfern walten und gegen und ohne uns entscheiden lassen. Zusammen mit der Bewegung der Erwerbslosen und der Menschen in ungeschützter Beschäftigung, zusammen mit den Organisationen, die in ganz Europa gegen die Erwerbslosigkeit kämpfen, rufen wir alle auf, die gegen Erwerbslosigkeit, gegen ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse, Ausgrenzung, Rassismus aufbegehren, gemeinsam nach Köln zu ziehen und an der Großdemonstration am 29.Mai 1999 teilzunehmen.
Gemeinsam wollen wir unserer Wut Luft verschaffen und die Forderung nach einem Europa und einer Welt der sozialen Gerechtigkeit und Freiheit zum Ausdruck bringen.
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- Kämpfe und Forderungen werden europäisch
Wir rufen dazu auf, mit mindestens vier wichtigen Forderungen nach Köln zu ziehen:
- Garantiertes individuelles Einkommen, das jeder und jedem erlaubt, in Würde zu leben, ohne Diskriminierung des Alters, des Geschlechts, der Herkunft usw.
- Massive Schaffung neuer, sozial und ökologisch nützlicher, tariflich gesicherter und entlohnter Arbeitsplätze; sofortige, gleichzeitige Reduzierung der Arbeitszeit in ganz Europa, mit entsprechenden Neueinstellungen, ohne Lohn- und Kaufkraftverlust und ohne Flexibilisierung; Gleichstellung von Frauen und Männern in Hinsicht auf Arbeit und Einkommen.
- Verbesserung aller sozialen Leistungen in Europa, mit jeweiliger Angleichung an das für die Bürgerinnen und Bürger vorteilhafteste Niveau.
- Für ein Europa, das gegenüber den Völkern des Südens wie des Ostens offen und solidarisch ist, ohne Rassismus, ohne Ausgrenzung oder Ausweisung, mit gleichen und garantierten Rechten für alle Bewohner, unabhängig von ihrer Herkunft. Wir fordern das Recht auf Arbeit und Einkommen, aber wir wollen damit auch die Debatte über die Notwendigkeit der Überwindung eines Wirtschaftsmodells eröffnen, das uns abhängig macht von den Entwicklungen des Marktes und des Wettbewerbs.
- Für den Aufbau einer forderungs- und widerstandsorientierten internationalen sozialen Bewegung.
Im Juni 1997 waren wir 50.000, die mit den »Europäischen Märschen« in Amsterdam die liberale, kapitalistische und antidemokratische Konstruktion Europas anprangerten. Wir protestierten gegen die Konvergenzkriterien von Maastricht. Wir lehnen den Stabilitätspakt ab, der die Europäische Währungsunion unter das Diktat der Zentralbank stellt und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Erwerbslosen und abhängig Beschäftigten verschlechtert. Wir wenden uns auch gegen das Schengener Abkommen und die Politik der Zurückweisung und Abschiebung von MigrantInnen und Flüchtlingen überall in Europa, insbesondere solcher »ohne Papiere«. Wir wenden uns gegen die Privatisierung und den Abbau im öffentlichen Dienst.
Die Ziele, die sich die Regierungen der Europäischen Union seit Amsterdam gesetzt haben, rufen bei uns Sorge und Widerspruch hervor. Sie alle auch die linken haben mit der neoliberalen Politik nicht gebrochen. Die »Beschäftigungspolitik« der Europäischen Kommission und des Europäischen Rats Beschäftigungspolitik zielt auf die Flexibilisierung der Arbeit, auf die »Anpassungsfähigkeit« (adaptability) und »Beschäftigungsfähigkeit« (employability) der Beschäftigten, Erwerbslosen und Auszubildenden. Ihnen werden zugunsten des größtmöglichen Unternehmerprofits entwürdigende Arbeitsbedingungen und Einkommen aufgezwungen.
Bewegungen gegen Erwerbslosigkeit und ungeschützte Beschäftigung haben sich in ganz Europa entwickelt. Sie haben ihre eigenen Forderungen, Vorschläge, Ziele. Wir verlangen, daß sie in Köln endlich von den Regierenden gehört werden. Wir wissen, daß nur eine starke und koordinierte internationale soziale Bewegung, die Erwerbslose, Lohnabhängige, Jugendliche und Menschen in ungeschützter Beschäftigung vereint, weitreichende soziale Veränderungen und eine massive Umverteilung des Reichtums erzwingen kann.
Indem wir nach Köln ziehen, bereiten wir auch die Kämpfe und Gesellschaftsvisionen von morgen vor.
Um gemeinsam jenen Gehör zu verschaffen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, laden wir die Bürgerinnen und Bürger aller Länder ein, sich an den verschiedenen Etappen des »Marschs auf Köln« zu beteiligen:
Köln, Mai 1999: Zusammentreffen aller Bewegungsformen (Märsche, Züge etc.)
Brüssel - Köln, 25. - 29. Mai: großer internationaler Marsch
Köln, 29. Mai: Großdemonstration von mehreren zehntausend Menschen aus allen Ländern Europas und darüber hinaus (z.B. landlose Bauern aus Brasilien und Indien).
Köln, 29. Mai - 4.Juni: Gegengipfel und ein »Europäisches Parlament der Erwerbslosen und ungeschützt Beschäftigten«
Das Gegenparlament wird am Abend der Großdemonstration eröffnet und mehrere hundert örtlicher Delegierter von Bewegungen, Verbänden und Gewerkschaften aller Länder umfassen. Es wird ein starkes Moment der Solidarität und des Austauschs werden. Die Sitzungen des »Parlaments« werden den ganzen EU-Gipfel hindurch stattfinden. Es wird eine »Europäische Charta« ausarbeiten und fordern, von den Regierenden empfangen zu werden.
- Globalisierung der Kämpfe
Das Netzwerk der Europäischen Märsche unterstützt die Initiativen, die den G8-Gipfel mit der Forderung nach einer massiven, weltweiten Umverteilung der Reichtums »begrüßen«; es unterstützt den Gegengipfel und die Demonstration am 19.Juni in Köln sowie alle anderen internationalen Initiativen, die wie der Internationale Marsch von Frauen gegen Armut und Gewalt gegen Frauen in diesem Sinne wirken.
Wir möchten, daß unser Kampf gegen Erwerbslosigkeit mit den verschiedenen sozialen Bewegungen in Europa und auf der Welt zusammenkommt für die Ausweitung und Sicherung aller Rechte, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Freizügigkeit der Menschen, ein Leben in Frieden mit der Erde.
Konferenz gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung,
Ausgrenzung und Rassismus
Köln, 23./24.Januar 1999
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