Sachsens Beitrag zum Sozialabbau und zur Ausweitung prekärer BeschäftigungVortrag auf der Europäischen Versammlung der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten, Paris, 2. - 4.12. 2000
Das Bundesland Sachsen liegt im Südosten Deutschlands, angrenzend an die Nachbarländer Tschechien und Polen. Sachsen wird seit der deutschen Einheit von der Christlich-Demokratischen Union (CDU) allein regiert. Sein Ministerpräsident, Prof. Kurt Biedenkopf, versteht sich als Vordenker einer so genannten »Wissensgesellschaft«, die den weiteren Sozialabbau und die Ausweitung prekärer Beschäftigung befördert. Mit dem Pilotprojekt TAURIS »Tätigkeiten und Aufgaben: Regionale Initiativen in Sachsen« installierte 1999 die von der CDU geführte Sächsische Staatsregierung ein besonders geschickt verpacktes nebulös Pilotprojekt zur prekären Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen und arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern. Ziel des Projekts ist die generelle Absenkung von Sozialleistungen für Arbeitslose. Langzeitarbeitslosen (mit Arbeitslosenunterstützung) über 50 Jahre bzw. Sozialhilfeempfängern wird angeboten, im Rahmen von TAURIS niedrigqualifizierte Arbeiten z. B. im Baubereich, in der Grünflächenpflege, in kulturellen und sozialen Einrichtungen anzunehmen - entlohnt mit 150 DM für 56 Stunden Arbeit im Monat (zuzüglich zum weiterhin bezogenen Arbeitslosengeld/-hilfe bzw. zur Sozialhilfe). Diese Arbeiten werden als »Aufgaben und Tätigkeiten außerhalb der traditionellen Erwerbsarbeit« bezeichnet - eine Bezeichnung, die den prekären Charakter dieser Beschäftigung bemänteln soll:
Die Sächsische Staatsregierung hat TAURIS-Modellprojekte zielgerichtet in den ländlichen Regionen Sachsens eingerichtet, in denen eine hohe Armutsquote zu verzeichnen ist. Damit sollte erreicht werden, dass die Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfänger die 150 DM Entgelt und damit TAURIS annehmen. Damit wurde auch den in Deutschland mit am höchsten verschuldeten Kommunen in Sachsen die Möglichkeit gegeben, kommunale Aufgaben fast kostenlos erledigen zu lassen. Die von Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern, von den Kommunen, vom Deutschen Roten Kreuz und sogar vom Arbeitslosenverband Sachsen angenommenen TAURIS-Projekte sind nicht nur eine besonders perfide Art der Ausweitung der prekären Beschäftigung. TAURIS zielt auch auf eine Spaltung der Erwerbslosenbewegung, wie sie in Sachsen bereits gelungen ist, und auf eine Teilung der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger in Arbeitswillige für prekäre Beschäftigung und »arbeitsunwillige Sozialschmarotzer«, die sich TAURIS u. a. Armuts-Frondiensten berechtigt widersetzen. [2] TAURIS ist darüber hinaus ein gewolltes Einfallstor für die Vereinheitlichung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe. Diese Vereinheitlichung zielt nach dem Willen des Sächsischen Ministerpräsidenten, seiner mehr oder weniger geistreichen Zuträger aus Politik und der Wissenschaft (Prof. Meinhard Miegel, Institut für Wirtschaft und Gesellschaft Bonn, Vorsitzender der Bayrisch-Sächsischen Zukunftskommission, u. a.), und natürlich der Arbeitgeberverbände in ihrer Konsequenz auf eine Absenkung der Sozialleistungen für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. [3] |
[1] »Zur Suche nach neuen Wegen gehört auch das im Dezember letzten Jahres mit der Bundesregierung beschlossene Projekt 'Konvergenz von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe'... Probleme der Verschiedenheit von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe müssen dabei gelöst werden. Der so genannte Drehtüreffekt muss vermieden werden: dass jemand ein Jahr lang auf öffentliche Kosten im Arbeitsmarkt tätig ist, dann wieder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wieder bei der Bundesanstalt für Arbeit landet usw.« [2] »Mit Tauris will er (Kajo Schommer, sächsischer Minister für Wirtschaft und Arbeit; Anm. d. Verf.) nun ausloten, zu welchen Konditionen Betroffene zur Mitarbeit bei bestimmten Aufgaben bereit sind« (Sächsische Zeitung am 15.01. 2000) [3] »Statt geringe Erwerbseinkommen durch Transfers zu ergänzen, kann die Bevölkerung auch hinnehmen, daß der Lebensstandard von Teilen der Erwerbsbevölkerung zusammen mit deren Einkommen abnimmt. Das setzt voraus, daß die Sozial- und Arbeitslosenhilfesätze für Erwerbsfähige gesenkt werden« (Bericht der Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen, Teil III, Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungslage, S. 138).
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