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Das ist kein schwarzer Freitag für Europa, es ist ein schwarzer Freitag
für ein Politikmodell, das die Demokratie mit Füßen tritt.
Um diese Uhrzeit (16:34h) liegt in der großen Mehrheit der Wahlbezirke das
Nein vorn. Der irische Justizminister und der Europaminister sprechen
bereits von einer Niederlage. Laut Pressemeldungen haben vor allem
ländliche Bezirke und solche mit hohem Arbeiteranteil mit Nein gestimmt.
Damit hat die irische Bevölkerung das ausgedrückt, was die Bevölkerungen
in den meisten anderen Staaten auch gesagt hätten, hätten sie über den
Lissabon-Vertrag abstimmen dürfen. Sie alle haben durch die Iren eine
Stimme bekommen, welche die EU ihnen verweigern wollte.
Der Mangel an Demokratie war offenbar einer der Hauptgründe für die
irische NEIN. Nach dem Nein aus Frankreich und den Niederlanden zum
Verfassungsvertrag hätte die EU die Chance gehabt, in einen wirklichen
Dialog mit der Bevölkerung zu treten und ihre Anliegen zu hören. Das aber
war nicht gewollt. Im Gegenteil: Der Vertrag von Lissabon bleibt hinter
der Verfassung vieler Mitgliedstaaten zurück und setzt diese de facto
außer Kraft, ohne die für solche Verfassungsänderungen erforderlichen
Mehrheiten. Für 90% aller Rechtsnormen sollte das weitaus
undemokratischere EU-Recht als das höherrangige gelten. Was das praktisch
bedeutet, konnten wir zuletzt am Beispiel der Entsenderichtlinie erfahren,
die nationale Tariflöhne aushebelt.
Irland hat nicht NEIN zur EU gesagt, es hat NEIN zu einer
undemokratischen, wirtschaftsliberalen und militarisierten EU gesagt.
Die Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte
Beschäftigung und Ausgrenzung werben seit langem dafür, dass wir diesem
Modell der EU ein anderes Modell entgegen setzen: das eines
demokratischen, auf dem Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerungen seiner
Mitgliedstaaten beruhenden, gegen über den Völkern des Südens offenen,
friedlichen und sozialen Europa.
Mit dem NEIN der Iren ist alles wieder offen: Es ist an der Zeit,
europaweit dafür einzutreten, dass in allen Mitgliedstaaten eine offene
Debatte über das Europa, das wir wollen, geführt wird. Dokumente, die das
Zusammenleben in Europa grundsätzlich regeln, müssen einem Referendum
unterzogen werden!
In diese Debatte werden wir die Charta der Grundsätze für ein anderes
Europa einbringen, die die Europäischen Märsche zusammen mit anderen
Organisationen und Netzwerken im Rahmen des Europäischen Sozialforums
erarbeitet haben.
für das Sekretariat der Märsche
Angela Klein
13.6.2008
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