Vom 11. bis 12. November 2017 tagte die Euromarsch-Koordination in Köln. Die Treffen beginnen traditionell mit Berichten über die politischen Situationen in den europäischen Ländern. Über die Lage in Deutschland berichtete Angela Klein.
22.11.2017 | Angela Klein
Der mündliche Bericht hat kurz den Weg skizziert von der Großen Koalition zum Wahlergebnis vom 24.September und den daraus folgenden Bemühungen, eine schwarz-gelb-grüne Koalition zustande zu bringen. Diese Bemühungen sind in der Zwischenzeit gescheitert. Das Wahlergebnis hat jedoch zwei Dinge zutage befördert, die sicher nicht nur vorübergehenden Charakter haben: 1) dramatische Verluste für die Unionsparteien (ihr schlechtes Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik); ebenso für die SPD, wobei deren Niedergang schon länger anhält; 2) den Aufstieg der AfD, die nun in den meisten Landesparlamenten und auch im Bundestag vertreten ist, und in Sachsen stärkste Partei geworden ist, aber auch sonst in Ostdeutschland massiv auf Kosten der CDU gewonnen hat.
Wir haben es hier mit einem Rechtsruck zu tun, bei dem weder das bürgerliche Lager (ohne die AfD) noch das linke Lager (sofern man davon sprechen kann) allein in der Lage sind, eine Regierung zu bilden. Das schafft eine bislang in Deutschland nicht gekannte politische Instabilität.
Die Gewerkschaftsführungen hatten die Große Koalition unterstützt (und das bleibt derzeit ihre Präferenz), weil sie bestimmte soziale Verbesserungen gebracht hatte, die wichtigste darunter die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Der allgemeine Kurs der Gewerkschaftsführungen ist weiterhin auf Co-Management gerichtet, obwohl sich das nicht unbedingt auszahlt (siehe die Entlassungen bei Air Berlin und Siemens in jüngster Zeit).
Der Niedriglohnsektor ist mit 20 Prozent weiterhin sehr groß, ein Verbot der Leiharbeit nicht in Sicht. Die Arbeitslosenquote betrug im Jahr 2017 rund 5,8 Prozent, der Anteil der Langzeitarbeitslosen liegt relativ unverändert bei 35 Prozent, und dies seit 2009. Eine neue, umfassende Rationalisierungswelle steht an, bekannt unter dem Namen „Digitalisierung“ oder: Industrie 4.0, in deren Zuge Zehntausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel stehen. Hinzu kommen Konversionsprobleme wegen des notwendigen Umstiegs von fossilen Energien auf erneuerbare Energien in allen Bereichen.
Manche Konzernvorstände haben deshalb begonnen, eine Debatte über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommen anzustoßen, da sie davon ausgehen, dass es nicht möglich sein wird, unter den geänderten Bedingungen alle Menschen in Arbeit zu bringen. Bei der Wahl am 24.September ist erstmals eine Partei „Bedingungsloses Grundeinkommen“ angetreten und hat 97.500 Stimmen bekommen.
Wir müssen unsere Forderungen im Lichte dieser Diskussion aktualisieren. Ebenfalls müssen wir den Faden wieder aufgreifen, was auf europäische an sozialen Maßnahmen im Zuge der anstehenden Reform der EU diskutiert wird. Das gilt insbesondere für die Reform der Entsenderichtlinie, die die Kommission vorgeschlagen hat, und für die Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung, wofür es ebenfalls Vorschläge seitens der EU-Kommission geben soll.