Gegen Arbeitszwang und Billigjobs

Das Recht auf Arbeitslosengeld wird in Frage gestellt. Weil die wirtschaftlichen Aussichten für dieses Jahr schlechter werden und die Unternehmer um ihre Gewinne fürchten, fordern sie weitere Lohn- und Steuersenkungen: keine Einschränkungen bei befristeten Arbeitsverhältnissen, Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, Senkung der unteren Lohn- und Gehaltsgruppen.

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Solidarische Lösungen sind mehrheitsfähig

Der Gegengipfel in Göteborg

Die Bundesregierung kommt ihnen weit entgegen: Eine für Juni angekündigte »Reform« des Sozialgesetzbuchs soll den Bezug von Arbeitslosengeld an Einzelverträge zwischen Stellensuchenden und Arbeitsämtern binden. Das verwandelt Erwerbslose in Jobsuchende mit individuellem Vertrag; die kollektive Absicherung bei Erwerbslosigkeit, mithin das Recht auf Arbeitslosengeld, wird in Frage gestellt.
Und dabei bleibt es nicht: Kanzler Schröder hat in einem Atemzug auch eine Nullrunde bei den nächsten Tarifverhandlungen gefordert. Das zeigt: der Angriff richtet sich nicht allein gegen die Erwerbslosen, er richtet sich genauso gegen die abhängig Beschäftigten, und hier besonders gegen die unteren Lohn- und Gehaltsgruppen. Die Erwerbslosen werden nur zu Sündenböcken der Nation gestempelt, um davon abzulenken.
Die Wiedereinführung des Arbeitszwangs ist EU-Politik. »Eingliederungsverträge« wie Arbeitsminister Riester sie jetzt fordert, wurden im vergangenen Jahr in Frankreich durchgesetzt; der Unternehmerverband erreichte, dass die Gewerkschaft CFDT ein entsprechendes Abkommen unterzeichnete. In England hat die Regierung Blair Gesetze für einen »New Deal« erlassen, die alle, die nicht arbeiten, aber Sozialleistungen erhalten (Arbeitslose, Behinderte, Alleinerziehende), verpflichten, jedwede Arbeit zu einem Lohn zu verrichten, der kaum über den Sozialbezügen liegt. Dafür kassieren die einstellenden Unternehmen und die vermittelnden Beschäftigungsgesellschaften um so mehr - aus den Töpfen der Sozialhaushalte.
Die Grundrechtecharta, die auf dem EU-Gipfel in Nizza proklamiert wurde, deckt all diese Entwicklungen ab. Vollmundig haben die Regierungschefs in Nizza erklärt, erstmals würden soziale Rechte in einer Charta verbrieft; und wenn in Laeken bei Brüssel Ende des Jahres der Prozess der Erstellung einer europäischen Verfassung in Gang gesetzt wird, von der die Grundrechtecharta die Präambel sein soll, wird man uns sagen, dass sie niemals zuvor solchen Verfassungsrang erreicht haben. Dabei ersetzt die Charta ganz im Sinne der »aktivierenden Beschäftigungspolitik« das Recht auf Arbeit durch ein »Recht zu arbeiten«, und das Recht auf soziale Leistungen, die von den Gesetzgebungen in den Mitgliedstaaten verbrieft sind, durch das rein formale Recht auf Zugang zu sozialen Leistungen.
Die Europäische Union ist derzeit der Motor einer breit angelegten Absenkung der Sozialstandards in allen Ländern der EU und einer Anpassung des Lebensverhältnisse nach unten. Deshalb müssen wir auch unsere Gegenwehr europaweit koordinieren!

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